Schöpferische Zerstörung im Bankwesen

Die schöpferische Zerstörung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter geprägt. Die Amerikaner nennen den Prozess disruption. Beides beschreibt eine Innovation, die bestehende Technologien, Dienstleistungen oder Produkte zerstören. Meist entstehen diese Innovationen für die etablierten Anbieter unerwartet und werden zunächst nicht als Bedrohung gesehen. Handelt es sich um erfolgreiche Innovationen, so weisen sie nach kurzer Zeit ein hohes Wachstum auf und verdrängen die bestehenden Anbieter teilweise oder komplett.

Beispiele dazu gibt es in der Vergangenheit viele. Prominent werden Kodak und Nokia immer wieder genannt: Analogkameras und -filme wurden durch Digitalkameras verdrängt, der Marktführer im Bereich Mobiltelefone wurde in kürzester Zeit von den Smartphones aus dem Markt gedrängt. Inzwischen fokussieren sich die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen großer Konzerne nicht mehr auf die Weiterentwicklung der eigenen Produkte, sondern haben im Fokus, sie durch neue Innovationen selbst am Markt zu ersetzen.

Inzwischen sprechen wir von der vierten industriellen Revolution. Wer sich dem wahnsinnigen Tempo verweigert, gefährdet den Fortbestand des Unternehmens. Bestehende Geschäftsmodelle werden durch neue Wettbewerber verändert und die etablierten Unternehmen stehen oft hilflos daneben, weil sie ihren Kunden nicht mehr verstehen.

Schaut man sich diese neuen Wettbewerber genauer an, kann man feststellen, dass sie weiterhin klassische Bedürfnisse der Kunden befriedigen. Sie befriedigen diese für den Kunden nur auf vollkommen neue Weise (z.B. CarSharing statt klassischem Mietwagen) oder bringen als Vermittler neue Wettbewerber auf den Markt (z.B. Uber mit Privatfahrern statt professioneller Taxizentralen). In vielen aktuellen Beispielen besteht Potential für eine Disruption.

Wie ist das nun im Bankenwesen? Es steht außer Frage, dass die Menschheit bis auf Weiteres auf Zahlungsmittel angewiesen ist. Das Bedürfnis der Kunden, Waren oder Dienstleistungen zu entlohnen, wird es also auch weiterhin geben. Ist zu viel Geld vorhanden, muss es geparkt werden. Und im umgekehrten Fall muss man sich etwas leihen. Mit diesem trügerischen Gefühl der Sicherheit sind die Banken unterwegs und wiegen sich in Sicherheit.

Schauen wir auf die erste Variante der Disruption: Die Bedürfnisse der Kunden werden auf vollkommen neue Art und Weise befriedigt. Die ersten Ansätze kann man erkennen – sicherlich nur die Spitze des Eisbergs. Neue Anbieter zeigen, dass Zahlungsverkehr komplett anders laufen kann. Geld wird in kleinen Summen (Micropayment) zwischen Privatnutzern elektronisch weitergeleitet, ohne erst umständlich eine Überweisung in Auftrag geben zu müssen (z.B. Cringle, PayPal und zukünftig Facebook/Whatsapp). Oder die Bezahlung an der Kasse wird durch Hinhalten der Armbanduhr erledigt (Apple Pay). Konten können komplett über das Smartphone verwaltet werden (Number26). Die Banken reagieren darauf, indem sie ihr bestehendes Modell „Girokonto“ mühsam versuchen zu verbessern – obwohl sie sich mit der Digitalisierung seit der Einführung von BTX Mitte der 1980er Jahre beschäftigen.

Die zweite aktuell erkennbare Variante der Disruption war: Neue Wettbewerber auf dem Markt zu etablieren. Hier lassen sich zwei Trends erkennen. Revolutionär wäre die Einführung einer neuen Verrechnungseinheit für den Zahlungsverkehr. Tatsächlich gibt es die bereits ohne Zutun der Banken oder eines Staates: BitCoin. Eine neue Technologie ermöglicht es, dass die Währung direkt zwischen zwei Beteiligten ausgetauscht werden kann, ohne dass eine Bank oder ein Zahlungsdienstleister eingeschaltet werden muss. Wer genügend Rechenkapazität zur Verfügung hat, kann die Zahlungen der Datenbank hinzufügen und somit Geld verdienen – auch hier kann der Privatmann – ähnlich wie bei Uber – als ein neuer Anbieter im System auftreten. Eine Stufe weniger kompliziert arbeiten neue Kreditvermittler – die Plattformen vermitteln beispielsweise Kredit zwischen Privatpersonen ohne Zutun einer Bank.

Noch hat keiner der neuen Anbieter wirklich die Banken vom Markt verdrängt. Durchaus haben aber bereits große Anbieter den Kuchen zu einem großen Teil unter sich verteilt. Die bisherigen Geschäftsmodelle nur weiterzuentwickeln und die Qualität bei der Beratung zu verbessern wird mittelfristig nicht ausreichend sein.

Banken müssen endlich anfangen, selber nachzudenken, wie sie ihr Geschäftsmodell zerstören könnten und in welchen Bereichen sie Dienstleistungen und Produkte anbieten könnten. Neue Ideen sind gefragt – auch mit dem Risiko, dass viele davon kein Erfolg werden. Die Zeiten in denen es einfach nur günstiger und besser werden muss sind endgültig vorbei. Disruptive und erfolgreiche Geschäftsmodelle in der Bankenwelt werden kommen – es ist nur eine Frage, wer diese letztendlich anbieten wird.

Social Software: Wie überzeuge ich die mittlere Führungsebene?

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass die erfolgreiche Einführung einer Social Software auf einer Bereitschaft basiert, die Zusammenarbeit im Unternehmen vollständig zu überdenken.

Diese Änderungen müssen vom gesamten Unternehmen getragen werden. Es reicht es aus, wenn eine Fachabteilung sich euphorisch mit dem Thema beschäftigt – dann wird im besten Fall eine erfolgreiche Insellösung etabliert werden, die keine Schnittstellen zum Unternehmen hat. Auch eine noch so überzeugte Unternehmensführung wird den Wandel alleine nicht schaffen.

In der Regel versteht die Unternehmensführung schnell die Vorteile einer Einführung und kann sich für das Projekt begeistern. Auch die Mitarbeiter sind – bei einer entsprechend begleiteten Einführung – durchaus vom Nutzen zu überzeugen und machen mit.

Das größte Risiko bei der Einführung verbirgt sich tatsächlich im mittleren Management. Die dort angesiedelten Menschen haben in der Regel schon ein längeres Berufsleben hinter sich und damit eine entsprechende Lernerfahrung im Unternehmen. Sie sind maßgeblich für die Entscheidungsfindungen im Unternehmen verantwortlich und definieren, welches Wissen wem zur Verfügung steht und wie die Aufgaben verteilt sind.

Sicherlich gibt es kein Patentrezept für eine erfolgreiche Integration dieser Gruppe in eine Umsetzungsprojekt. Trotzdem lassen sich einige Erfolgsfaktoren finden:

  1. TopDown
    Es muss seitens der ersten Führungsebene glaubhaft der Wille zur Durchsetzung der neuen Strukturen vorgelebt und kontrolliert werden. Dazu gehört es, ein gemeinsames Verständnis zwischen erster und mittlerer Führungsebene zu schaffen und dieses dann auch ohne Kompromisse durchzusetzen. Dabei sind die „schwierigen Fälle“ intensiv zu betrachten und immer wieder mitzunehmen. Die Geschwindigkeit der Umsetzung muss sich an den schwächsten Gliedern der Kette orientieren. Bei dauerhaften und nicht behebbaren Störungen muss im Zweifelsfall die Bereitschaft bestehen, eine schmerzhafte Entscheidung zu treffen und sich von einem Kettenglied zu trennen bevor die ganze Umsetzung gefährdet ist.
  2. Transparentes Unternehmen
    Ziel muss es sein, dass gesamte Unternehmen jedem Mitarbeiter transparent zu machen. Der Geschäftszweck, die Produkte, die Entwicklungen, die Entscheidungen, die Ziele, die Märkte, die Weiterentwicklung und alle anderen Rahmenbedingungen müssen sichtbar werden. Im Endeffekt muss jeder Mitarbeiter das Unternehmen verstehen und erklären können. Damit wird die Basis geschaffen, dass die Mitarbeiter sich engagieren – und damit die mittlere Führungsebene ebenfalls unter Druck setzen, mitzumachen.
  3. Freiheiten zulassen
    Die junge Generation, die bereits in den Unternehmen angekommen ist, braucht andere Rahmenbedingungen. Starre Vorgaben seitens des Managements bremsen das Engagement. Hier wird das mittlere Management seine neue Definition finden können: die Balance zwischen rechtlichen Vorgaben, Sicherheit, nötigen Prozessen und Strukturen und Freiheiten zu finden und umzusetzen. Die Freiheiten sind die Basis für Innovationen und die Weiterentwicklung des Unternehmens – und damit für den dauerhaften Bestand am hochdynamischen Markt.
  4. Generationen übergreifendes Lernen
    Das gesamte Unternehmen muss dauerhaft lernen. Auch hier ist eine neue Aufgabe für das mittlere Management zu sehen: die Basis für dieses Lernen zu schaffen und die „Lehrer“ im Unternehmen zu motivieren. Altersgrenzen spielen hierbei keine Rolle mehr. So kann beispielsweise durchaus ein Azubi für die Führungskräfte eine Lehrveranstaltung durchführen oder im sozialen Netzwerk relevante Informationen bereitstellen. Dieses Verständnis muss sich entwickeln.

Fazit

Das mittlere Management muss einerseits den Druck von oben und unten verspüren, dass die Änderungen gewollt sind. Viel wichtiger ist es aber, im Vorfeld für die Personengruppen die Aufgabenstellungen neu zu erarbeiten und für diese neuen Erwartungen an sie ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln – gerade die erste Führungsebene ist hier extrem gefordert, Je besser diese Vorbereitung funktioniert hat, desto weniger „Druck“ ist nötig.